Trump will Importe mit einer Strafsteuer belegen, liest man immer wieder. Angeblich steckt dahinter blanker Protektionismus. Trump wolle sich leichtfertig über die Regeln der Handelsorganisation WTO hinwegsetzen. Die Wahrheit ist jedoch komplexer. Die Idee eines Grenzausgleiches bei der Steuer stammt nicht von Trump. Sie wurde sowohl von Demokraten wie von prominenten Republikanern schon vor Trump entwickelt und wird von bekannten Ökonomen, wie Martin Feldstein aus Harvard oder Hans-Werner Sinn sowie internationalen Organisationen wie der OECD und selbst in einem Gutachten für die EU befürwortet.

Die Idee hat ursprünglich nichts mit Protektionismus zu tun. Es handelt sich im Gegenteil um eine progressive Reformidee, um die ewige Steuerflucht von Großkonzernen zu beenden. Heute zahlen viele international tätige Unternehmen kaum Steuern. Sie handeln damit meist völlig legal. Selbst rein national tätige Unternehmen haben Gestaltungsspielraum, weil die Steuern auf den buchhalterischen Gewinn gezahlt werden müssen. Dieser ist aber keine objektive Größe, sondern wird durch Rückstellungen, Abschreibungen, Wertberichtigungen, Abgrenzungen und so vieles mehr oft sehr willkürlich beeinflusst. Noch größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten für internationale Unternehmen. Diese können leicht über Lizenzgebühren, internationale Finanzierungskonstruktionen, Verrechnungspreise etc ihre Gewinne in Steueroasen verschieben und in Hochsteuerländern keine Gewinne ausweisen.

Dies würde mit den Reformideen deutlich erschwert. Hier würde nicht mehr ein buchhalterischer Gewinn, sondern der sogenannte cash-flow des Unternehmens besteuert. Dieser ist wesentlich schwieriger zu manipulieren. Stark vereinfacht gesprochen, braucht man halt nur auf das Konto zu schauen und schon sieht man, wie viel cash geflossen ist. Deswegen nennt man diese Form der Besteuerung cash-flow-tax.

Internationale Steuerverschiebung wird dadurch vermieden, dass die Steuer immer dort anfällt, wo die Produkte verkauft werden. Starbucks und Apple müssten dann also endlich in Deutschland Steuern bezahlen und nicht mehr in Irland. Steuerverschiebung durch Patentboxen, Lizenzverträge und Verrechnungspreise würde unmöglich. Das gleiche würde allerdings auch für BMW und andere deutsche exportierende Unternehmen zutreffen. Ihre Steuern würden dort fällig, wo sie ihre Autos verkaufen und nicht in Deutschland, wo sie produziert (oder auch nur entwickelt) werden. Der Umsatz eines Unternehmens lässt sich nur sehr schwer verschleiern. Dieses Beenden der Steuergestaltung von internationalen Großunternehmen ist das wichtigste Argument der Befürworter dieser sogenannten destination-based-cash-flow-tax (DBCFT) Steuer.

Eine weitere wichtige Komponente der cash-flow-tax ist, dass natürlich auch Investitionen sofort den cash-flow verringern. Investitionen würden nicht mehr aktiviert und über viele Jahre abgeschrieben, sondern würden sofort mit dem vollen Betrag der Investition die Steuer verringern. Ein Unternehmen, das viel investiert, bräuchte also in der Zeit der hohen Investitionen vermutlich keine Steuern zahlen. Damit ergibt sich aus der Steuer ein hoher Investitionsanreiz.

Im Gegenzug dürfen allerdings die Finanzierungskosten der Investition nicht doppelt gezählt werden. D.h. Zinsen sind nicht mehr steuerlich abzugsfähig. Damit wird ein weiteres gravierendes Problem unseres jetzigen Steuersystems gelöst: die hohe Subventionierung von Fremdkapital im Vergleich zum Eigenkapital. Diese Subvention ist ein Grund, warum viele Unternehmen, insbesondere Banken und Versicherungen so extrem wenig Eigenkapital einsetzen, so krisenanfällig sind und immer wieder vom Staat gerettet werden müssen. Das Ende dieser Fremdkapitalsubvention ist ein anderes höchst begrüßenswertes Element des Reformvorschlages.

Die US-Regierung hat bereits simuliert, wie sich das Steuervolumen durch die Abschaffung der normalen Körperschaftsteuer und den Ersatz durch eine DBCFT verändern würde. Ohne border-adjustment, also dem Versteuern von importierten Produkten und der Steuerbefreiung für exportierte Produkte, ergibt sich aus der DBCFT ein etwas stetigeres und leicht höheres Steuervolumen. Mit border-adjustment ließen sich gewaltige Mehreinnahmen erzielen.

Der wesentliche Grund für die Mehreinnahmen liegt darin, dass die USA mehr importieren als exportieren. Länder mit einem Handelsbilanzdefizit profitieren von einer Steuerreform, bei der Steuern dort gezahlt werden, wo die Produkte verkauft werden. Deutschland mit seinem enormen Handelsbilanzüberschuss hätte das Nachsehen. Es wäre allenfalls zu hoffen, dass durch den Wegfall der Steuerverschiebung (Starbucks etc.) das Steuervolumen weltweit sosehr steigen würde, dass sich selbst Deutschland noch besser stellen würde.

Wenn tatsächlich der Dollar so wie in der Theorie vorhergesagt ausreichend aufwertet, würde die Steuer auch komplett von den ausländischen Exporteuren getragen. Kein Wunder, dass die Republikaner angesichts der geschätzten 120 Milliarden Dollar Mehreinnahmen diese Steuer so attraktiv finden.

Trotz dieser attraktiven Vorteile gibt es auch sehr kritische Stimmen zu dem border-adjustment. Die DBCFT wird oft mit der Mehrwertsteuer verglichen. Auch diese wird auf Importe erhoben, während Exporte nicht belastet werden. Die Mehrwertsteuer behandelt aber importierte Waren identisch mit heimischen Erzeugnissen, beide werden mit demselben Steuersatz belastet. Die DBCFT hingegen behandelt Importe nicht gleich. Bei heimischen Produkten wird die Steuer nur auf den damit erwirtschafteten cash-flow erhoben. Also auf den Umsatz abzüglich aller Kosten und Investitionen. Bei Importen wird sie auf den vollen Umsatz erhoben. Importe werden also anscheinend viel teurer als heimische Produkte.

Der Europäische Think-Tank Bruegel empfiehlt, einfach auch in der EU eine solche Steuerreform durchzuführen. Dann hätte man wieder gleiche Spielregeln für alle. Die renommierten Steuerexperten Auerbach, Devereux, Keen und Vella zeigen tatsächlich in einer ausführlichen Darstellung, dass die Steuer kein Handelshemmnis zwischen Ländern aufbaut, die ihre Unternehmen ebenfalls nach der DBCFT besteuern. Dies leuchtet zunächst nicht ein, aber folgende Zahlenbeispiele von mir machen es hoffentlich deutlich:

Nehmen wir zwei extrem vereinfachte Gewinn und Verlustrechnungen. Ford und BMW verkaufen ihre Autos in den USA jeweils für 100. Ford produziert in den USA und BMW in Deutschland. Beide Unternehmen haben dieselbe Kostenstruktur. Betrachten wir zunächst die Situation mit einer klassischen Körperschaftsteuer von 25% auf den zu versteuernden Gewinn. Beide Unternehmen machen denselben Gewinn und zahlen dieselbe Steuer. Die Steuer bei BMW fällt aber hauptsächlich in Deutschland an:

klassische Körperschaftsteuer Ford in USA BMW Händler USA BMW Deutschland BMW Gesamt
Verkaufspreis 100 100
Material 40 40
Personalkosten Fabrik 35 35
Personalkosten Händler 5 5
Exporterlös – zu versteuern 90
Importkosten – normal abzugsfähig 90
zu versteuern 20 5 15 20
Steuer 25% 5 1.25 3.75 5
Gewinn nach Steuern 15 3.75 11.25 15

Wenn die DCBFT eingeführt wird, dreht sich das Bild um. Die Steuer wird nun dort erhoben, wo die Autos verkauft und nicht dort, wo sie produziert werden. Das border adjustment führt dazu, dass die Kosten für den Import nicht steuerlich geltend gemacht werden können und die Erlöse im Export nicht versteuert werden brauchen. Die Rechnung sieht zunächst wie folgt aus:

DBCFT Ford in USA BMW Händler USA BMW Deutschland BMW Gesamt
Verkaufspreis 100 100
Material 40 40
Personalkosten Fabrik 35 35
Personalkosten Händler 5 5
Exporterlös – nicht zu versteuern 90
Importkosten – nicht abzugsfähig 90
zu versteuern 20 95 -75 20
Steuer 25% 5 23.75 -18.75 5
Gewinn nach Steuern 15 -18.75 33.75 15

BMW als Gruppe macht weiterhin genauso viel Gewinn und zahlt genauso viel Steuern wie vorher. Aber die Steuern fallen jetzt in den USA an. Der Importeur zahlt horrende Steuern, weil er die Importkosten nicht absetzen darf. Im Gegenzug geht es BMW in Deutschland extrem gut, weil die Exporterlöse nicht versteuert werden müssen, wohingegen die Produktionskosten des Autos zu einem negativen Cashflow und damit zu einer Steuergutschrift führen. Dieser Zustand wäre allerdings nicht haltbar, da der Importeur pleite gehen würde. BMW in Deutschland würde also den Verkaufspreis so weit senken, bis wieder sowohl der Importeur wie BMW Deutschland gut leben können:

DBCFT BMW Händler USA BMW Deutschland Gesamt
Verkaufspreis 100
Material 40
Personalkosten Fabrik 35
Personalkosten Händler 5
Exporterlös – nicht zu versteuern 67.5
Importkosten – nicht abzugsfähig 67.5
zu versteuern 95 -75 20
Steuer 25% 23.75 -18.75 5
Gewinn nach Steuern 3.75 11.25 15

BMW würde den Preis soweit absenken, dass der Importeur wieder 3,75 Gewinn nach Steuern erzielen würde, BMW in Deutschland 11,25.

Das Beispiel zeigt also, dass importierte Produkte nicht benachteiligt werden, da das exportierende Land im Grunde hohe Exportsubventionen bezahlt, die von dem importierenden Land über die Steuer wieder abgeschöpft werden.

Die Warnung von Sebastian Dullien vor hohen Handelshemmnissen, die aus dieser Steuer entstehen würden, scheint mir daher nicht gerechtfertigt, solange die Steuer von allen Ländern eingeführt wird.

Auerbach, Devereux, Keen und Vella zeigen in ihrer Studie zudem, dass die DCBTF auch nicht zu einem Wettlauf der Steuersätze nach unten führt. Im Gegenteil: je höher die Steuersätze, desto teurer werden die Importe und desto mehr werden Exporte subventioniert.

Sebastian Dullien warnt allerdings vor neuen Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf Finanzierungsgeschäften. Zinsen dürfen zwar nicht abgesetzt werden, aber was ist, wenn man stattdessen Leasingverträge eingeht? Die Befürworter der DCBFT haben sich auch dazu Gedanken gemacht und schlagen eine besondere Form der Cashflow Steuer für Finanzierungsunternehmen vor.

Die Studie der EU über cash-flow-taxes beschreibt noch eine dritte Variante dieser Art von Steuern. Man kann auch nur den cash-flow zwischen Unternehmen und ihren Eigentümern besteuern. D.h. Unternehmen bräuchten keine Körperschaftsteuer mehr bezahlen, solange sie ihre Erträge im Unternehmen behalten. Wenn sie diese aber ihren Eigentümern ausschütten, dann werden Steuern fällig. Estland praktiziert diese Art der Steuer mit anscheinend hohem Erfolg, sprich die Steuereinnahmen sind seit der Einführung der Steuer in der Übergangszeit zwar kurzfristig gesunken, dann aber so kräftig gestiegen, dass sie die Einnahmen vor der Einführung deutlich übertreffen. Die Studie äußert sich daher sehr positiv zu dieser Form der Besteuerung.

Auch diese Form der Steuer ist gestaltungsanfällig, weil Unternehmen ihren Eigentümern nicht nur Geld durch Dividenden zur Verfügung stellen können, sondern auch sogenannte fringe benefits, also ein teures Auto mit Chauffeur, ein schönes Haus mit Hausmeister und Koch, Privatflugzeuge usw. Diese Dinge gibt es aber auch im heutigen Steuerrecht und werden in Steuerprüfungen meist entdeckt. Anders ist es mit der Möglichkeit, das Unternehmen als Sparkasse zu missbrauchen und das Geld einfach nicht auszuschütten, sondern zu horten und nicht zu investieren. Dies könnte man aber auch lösen, indem man ab einer gewissen Grenze gehortetes Geld im Unternehmen doch den Eigentümern zurechnet und versteuert.

Auch wenn man Unternehmen von der Körperschaftsteuer befreien würde, solange sie keine Gewinne ausschütten, würde man Investitionen stark anreizen. Und auch dann gäbe es keine internationalen Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Auch die Subventionierung des Fremdkapitals würde entfallen. Im Gegenzug zur Befreiung von einbehaltenen Gewinnen könnte man ausgeschüttete Gewinne deutlich höher besteuern. Diejenigen Unternehmer, die ihr Geld nur auf ihrer Yacht im Mittelmehr verprassen, würde man also deutlich höher besteuern, wohingegen, diejenigen, die investieren und Arbeitsplätze schaffen, deutlich entlastet würden. Vielleicht sollte man diese Idee einmal detaillierter analysieren.

Auch Clemens Fuest hat sich inzwischen analog zu Trumps Steuerplänen geäußert.

Hier gibt es eine druckerfreundliche PDF Version des Artikels.


 

 

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