Seit einiger Zeit dominiert Populismus die Debatte um Wohnungsnot. Da denkt jemand darüber nach, wie man Spekulanten in Großstädten dazu bringen kann, ihre brach liegenden Grundstücke zu bebauen und schon lautet die Überschrift, Wohnungskonzerne sollen enteignet werden. Genauso unsachlich wird die Debatte um die notwendige Grundsteuerreform geführt. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf, die Zeit läuft uns davon.

Im vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die Grundsteuer bis Ende dieses Jahres zu reformieren. Der zentrale Satz in der Urteilsbegründung lautet: „Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung für die steuerliche Bemessungsgrundlage einen weiten Spielraum, verlangt aber ein in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerechtes Bewertungssystem.“

Die Grundsteuer bemisst sich am Wert der Immobilie, dem sogenannten Einheitswert. Diese Werte wurden jedoch seit über fünfzig Jahren nicht mehr aktualisiert. In den neuen Bundesländern stammen sie sogar noch aus dem Jahr 1935. Zu Recht fordert daher das Bundesverfassungsgericht, dass der Wert dringend aktualisiert werden muss, damit Menschen mit einer wertvollen Immobilie auch mehr Grundsteuern zahlen. Von dieser Steuergerechtigkeit wollen jedoch einige Bundesländer nichts wissen: Insbesondere Bayern fordert, die Besteuerung nach dem Immobilienwert ad acta zu legen und die Höhe der Steuer stattdessen nur noch an der Fläche der Immobilien ausrichten. Das bedeutet im Klartext, dass ein Haus in einem abgelegenen Dorf, das am Markt weniger als 100.000 Euro wert wäre, für Zwecke der Grundsteuer bei gleicher Größe genauso bewertet würde wie eine millionenschwere Villa am Ufer des Starnberger Sees.

Das Hauptargument aus Bayern heißt: die Wertermittlung sei zu bürokratisch. Das ist stimmt jedoch nicht, weil die Bewertung anhand von Bodenrichtwerten und sogenannter Listenmiete pauschaliert werden soll. Beide Werte sind öffentlich vorhanden, so dass die Bewertung problemlos und völlig unbürokratisch erfolgen kann.

Auch die Behauptung, dass die Grundsteuer nach der Reform drastisch ansteigen würde, ist falsch. Zum einen wird die Messzahl, also der Steuersatz im Gesetzentwurf, deutlich reduziert, zum anderen haben sich die Kommunen zu Aufkommensneutralität verpflichtet. Steigen die Immobilienwerte einer Kommune aufgrund der Neubewertung, wird diese den Hebesatz so weit absenken, bis sie wieder so viel Steuern einnimmt wie vor der Reform. So ist es politisch gewollt und das haben die Kommunen fest versprochen.

Auch das Argument, dass in Großstädten beliebte Trendviertel nun besonders teuer würden, ist falsch. Bei der Bewertung einer Wohnung in einem typischen Mehrfamilienhaus in einer Großstadt spielt der Grundstückswert kaum eine Rolle, weil auf die einzelne Wohnung nur ein sehr kleiner Grundstücksanteil entfällt. Der Wert wird ganz überwiegend von der Listenmiete bestimmt. Und pro Stadt gibt es immer nur eine Listenmiete. Die Grundsteuer für Miet- oder Eigentumswohnungen würden also selbst in den besten Vierteln einer Großstadt nicht spürbar steigen.

Die Grundsteuerreform ist ein besonders abschreckendes Beispiel wie politische Eitelkeiten vernünftige Gesetzgebung verhindern. Bayern blockiert eine Reform, die von den meisten Ländern mitgetragen werden könnte. Warum Herr Söder sich so sehr auf sein Flächenmodell fixiert hat, dass er dafür bereit ist, notfalls sogar die ganze Grundsteuer zu opfern, ist schleierhaft. Und es ist gegenüber den Kommunen verantwortungslos, denn diese sind auf die Grundsteuer als verlässliche Einnahmequelle angewiesen.

Die von der CSU vorgeschlagene Länderöffnungsklausel klingt in der Theorie vielleicht wie ein gangbarer Kompromiss, aber sie vermischt Bundes- und Länderzuständigkeit derart, dass erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität bestehen. Und sie stellt die Länder vor das große Problem der technischen Umsetzung. Um Bürokratie zu sparen, gibt es derzeit nur eine einzige, bundesweite Software, mit der die Steuern verwaltet werden, und auch die Programmierung der Software ist zentralisiert. Es gibt daher schlicht nicht ausreichend qualifizierte personelle Ressourcen, um mehrere unterschiedliche Grundsteuerreformen zu programmieren.

Neben der schieren Existenzsicherung der Kommunen hat die Reform aber noch eine zusätzliche wichtige neue Komponente: die sogenannte Grundsteuer C. Die Kommunen sollen die Möglichkeit bekommen, für unbebaute, baureife Grundstücke eine deutlich höhere Grundsteuer zu erheben. Damit hätten die Kommunen endlich ein Instrument um Grundstücksspekulation einzudämmen und Eigentümer von brachliegenden Grundstücken zum Bauen zu bewegen.

In der Reformwerkstatt ist derzeit noch eine weitere Steuer, die für mehr Steuergerechtigkeit bei der Immobilienbesteuerung sorgen soll und mit der Immobilienspekulation erschwert würde: die Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer ist eine Form der Finanztransaktionssteuer. Sie verhindert, dass mit Immobilien so spekuliert wird wie mit Aktien. Während alle normalen Bürgerinnen und Bürger beim Grunderwerb eine Steuer bezahlen müssen, können Großinvestoren können diese durch legale Steuergestaltung vermeiden. Mit Immobilien spekulieren aber nicht diejenigen, die mit einem Eigenheim für ihr Alter vorsorgen. Großinvestoren sind es, die mit Kaufen und Verkaufen von Immobilien, sprich mit der Spekulation auf steigende Immobilienpreise Geld verdienen wollen. Daher ist es so frustrierend, wenn ausgerechnet Großinvestoren keine Grunderwerbsteuer bezahlen. Um diese Ungerechtigkeit zu beenden, liegen konkrete Vorschläge zur Schließung von Steuerschlupflöchern auf dem Tisch. Aber auch hier droht aus unerklärlichen Gründen eine Blockade durch die CSU.

Deutschland ist im internationalen Vergleich geradezu eine Steueroase für Immobilienspekulanten. Die Investoren sparen hier nicht nur die Grunderwerbsteuer. International ist es auch völlig üblich, dass Spekulationsgewinne versteuert werden müssen. Hierzulande können Großinvestoren die teils extreme Wertsteigerung der Immobilien in unseren Städten steuerfrei vereinnahmen und ins Ausland transferieren.

Es gibt viel zu tun. Die Grundsteuer für die Kommunen erhalten, eine separate Grundsteuer für unbebaute Baugrundstücke einführen und die Steuerschlupflöcher für Großinvestoren schließen. Nun liegt es an CDU/CSU und SPD zu zeigen, dass sie die Kraft haben überfällige Reformen zügig umzusetzen.


 

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