Wohnen ist ein zentrales Thema des Wahlkampfs. Meist werden darunter bezahlbare Mieten verstanden. Manche wollen jedoch auch den Kauf eines Eigenheims mit einer Eigenheimzulage subventionieren. Hier wird oft das Argument angeführt, dass eine eigene Immobilie ein gutes Instrument zur Vermögensbildung und zur Altersvorsorge sei.

Eine Immobilie kann ein Instrument zur Vermögensbildung sein. Der wichtigste Grund dafür ist das inhärente Zwangssparen, das mit einem über dreißig Jahre zu tilgendem Immobiliendarlehen einhergeht. Wenige Menschen legen so diszipliniert und konsequent Geld zurück, wenn sie keinen äußeren Zwang dazu verspüren.

Dass Menschen angeblich nur unter Zwang bereit sind, regelmäßig zu sparen und diese Ersparnisse über dreißig Jahre nicht anzutasten, kann aber nicht der Grund sein, Immobilienerwerb mit einer Eigenheimzulage zu fördern. Viele Studien aus dem Feld behavioral economics zeigen, dass man keinen harten Zwang braucht, um Sparen zu fördern. Es reicht, Sparen zum Standard zu machen: anstatt sich aktiv unter Tausenden von verschiedenen, unverständlichen und meist verbraucherfeindlichen Angeboten für eine private Altersvorsorge entscheiden zu müssen, kann man auch ein Standardprodukt auflegen, in das alle Menschen automatisch einen bestimmten Teil ihrer Einkünfte überweisen.

Das kann man komplett obligatorisch gestalten wie in Schweden oder als opt-out Variante so wie unser Bürgerfonds, wo jeder die Möglichkeit hätte, sein Vorsorgekonto vorübergehend beitragsfrei zu stellen.

Zwangssparen ist aber nicht der einzige Grund, weshalb viele Menschen Immobilien für eine attraktive Geldanlage halten. Seit einigen Jahren steht alle paar Wochen eine neue Studie in der Zeitung, wie sehr die Preise für Immobilien in den letzten Jahren gestiegen seien. Zwischen 2010 und 2016 haben sich laut Forschungsinstitut Prognos die Preise in München und Berlin etwa verdoppelt. Wer also in einer unserer Boomstädte eine Immobilie erworben hat, hat das große Los gezogen und sein Vermögen nicht nur verdoppelt, sondern verfünffacht. Das liegt an dem Hebeleffekt aus Fremdkapital. Bank finanzieren oft sogar 100% des Kaufpreises.

Dieser Hebel wirkt aber genauso brutal in die andere Richtung, vor allem wenn wir noch die ca. 10% Erwerbsnebenkosten, sprich Notar, Makler und Grunderwerbsteuer, einbeziehen. Beispiel:

Kaufpreis: 250
NK 10%: 25
Eigenmittel: 50
Kredit: 225

In diesem Beispiel reicht es, dass der Preis für die Immobilie um nur 10% fällt und die Familie hat ihre gesamten 50.000 Euro Eigenkapital verloren. Das ist der Grund, weshalb Immobilien so hochgradig riskant sind: manchmal werfen sie eine phantastische Rendite ab und manchmal treiben sie ihre Eigentümer in den Ruin.

Gerade in der heutigen Situation, wo die Immobilienpreise derartig überhitzt sind, ist es extrem gefährlich, seine gesamten Ersparnisse in eine einzige Immobilie zu binden. Die Bundesbank sprach schon letztes Jahr von einer Überhitzung von 15-30% in den deutschen Städten. Insbesondere, wenn die Zinsen wieder steigen sollten, ist mit einer deutlichen Korrektur zu rechnen. Ich habe dies hier ausführlich erläutert. Und wer glaubt, dass Immobilienpreise immer nur nach oben gehen, sollte mal mit jemandem sprechen, der in den 1960er Jahren ein Haus am Rande des Ruhrgebiets erworben hat. Oder wer irgendwo weit weg von einer Metropole auf dem Land.

Hinzu kommt, dass Immobiliendarlehen sehr lange laufen und in den ersten Jahren nur wenig getilgt werden. Wenn die Häuslebauer länger krank oder arbeitslos werden, oder wenn sie sich scheiden lassen sollten, können sie oft ihr Darlehen nicht mehr bedienen und müssen ausziehen. Dann müssen sie ihr Eigenheim in einer Notsituation verkaufen und bekommen einen besonders schlechten Preis. Das Risiko ist daher hoch, dass sie dann in einer Schuldenfalle landen, aus der sie sich nur sehr schwer wieder herausarbeiten können. Eine Eigenheimzulage, die Menschen mit niedrigen oder mittleren Einkommen dazu bringt, sich eine Immobilie zu kaufen, die sie sich sonst vielleicht nicht leisten würden, kann diese Familien leicht in die Überschuldung treiben. Wozu eine solche Politik führen kann, hat die Finanzkrise mit den sogenannten subprime Krediten in den USA gezeigt.

Um überhaupt eine spürbare Wirkung zu erzielen, wäre eine neue Eigenheimzulage sehr teuer. Bei Preisen von 300.000 Euro aufwärts sind ein paar Tausend Euro Förderung ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei der abgeschafften Eigenheimzulage wurden daher auch 10% des Kaufpreises subventioniert. 11,4 Milliarden Euro kostete dieses Förderprogramm im Jahr 2004. Angesichts dramatisch gestiegener Immobilienpreise kann man sich kaum vorstellen, wie man ein wirkungsvolles Programm für weniger Geld auflegen kann. Mit einem kleinen Programm von 500 Millionen Euro, um ärmeren Käufern die Grunderwerbsteuer und die Maklerkosten zu erlassen, könnte man vielleicht 25.000 Menschen jährlich fördern. Das wäre also kein Programm für die breite Mittelschicht.

Last but not least ist eine Immobilie auch nicht die ideale Altersvorsorge. Das Eigenheim wird in der Regel für die junge Familie gekauft. Im Alter ist es also in der Regel nicht mehr zweckmäßig. Außerdem fangen dann die teuren Reparaturen an, für die meist kein Geld zurückgelegt wurde. Dann muss das Haus neu beliehen werden. Banken sind dann besonders vorsichtig mit den Beleihungsgrenzen, weil meist nicht ausreichend Einkommen vorhanden ist, um das Darlehen noch zu Lebzeiten zurückzuzahlen. Die Menschen müssen ihre Immobilie also auch im Alter oft verkaufen. Wenn sie dann das Pech haben, dass ihre Region gerade keine Boomregion mehr ist, schauen sie in die Röhre.

Auch das Argument, in Deutschland sei die Eigentumsquote so niedrig, wird oft genutzt. Aber dafür gibt es in Deutschland einen im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut funktionierenden Mietmarkt. Und das auch etwas sehr positives, gerade in einer mobilen Gesellschaft, wo man auch mal wegen eines Jobwechsels umziehen möchte. Eine hohe Eigentumsquote ist kein Selbstzweck.

In einem Eigenheim zu wohnen kann natürlich wunderbar sein. Man sollte sich nur klar machen, dass es sich hier zu einem großen Teil um Konsum handelt und nicht um eine rationale Geldanlage. Wer sich diesen Konsum leisten kann, soll es tun. Aber wer knapp kalkuliert, sollte vorsichtig sein und ausreichend Puffer für eine Scheidung oder andere Krisen einplanen. Und unbedingt die Zinsen sehr lange festschreiben. Am besten gleich für 20 Jahre, damit eine Zinserhöhung nicht zur Zwangsversteigerung führt.

Eine Eigenheimzulage ist also nicht das beste Instrument, um Vermögensaufbau zu fördern. Schon gar nicht für Menschen, die sich den Kauf einer Immobilie eigentlich nicht leisten können.

Auf dem Bundesparteitag der Grünen habe ich zu diesem Thema gesprochen. Hier ist der link zum Video.


 

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