Keine Steuer ist so ungerecht wie die Erbschaftsteuer: Nur kleine Erben zahlen Steuern. Keine Begründung ist so verlogen: Steuern auf Unternehmenserben würden Arbeitsplätze kosten.
Eine YouGov Umfrage (» YouGov_B2B PDF «) entlarvt das Märchen. Rund 60% der Unternehmer und Manager halten die Ausnahme von Unternehmenserben von der Erbschaftssteuer für ungerecht. Gerade hat die Bundesregierung eine Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt, bei der Unternehmenserben weiter keine Steuern zahlen müssen. Als Begründung wird ein altes Märchen herangezogen: Die Erbschaftssteuer gefährde Arbeitsplätze. Doch selbst das glauben die befragten Unternehmer der YouGov-Studie nicht: 62% sind der Meinung, dass man über Stundungsregelungen für die Abbezahlung der Steuer die Arbeitsplätze sichern könnte.
Die Unternehmen sind für eine gerechtere Erbschaftssteuer. Die breite Bevölkerung sowieso (» YouGov_Omnibus PDF «). Nur 21% halten die Ausnahmeregelung für Betriebsvermögen für fair. Das Fenster für mehr Gerechtigkeit steht also weit offen. Doch die Regierung will es nicht nutzen. Ein Skandal.
Dabei erfordert eine gerechte Lösung überhaupt kein Hexenwerk: Ein einheitlicher Steuersatz auf alle Vermögensarten würde die Erbschaftsteuer verfassungsfest und gerecht machen. Mit einer verbindlichen Stundung könnte die Zahlung der Steuer über Jahre verteilt werden, so dass Erben die Steuern aus den Dividenden abbezahlen können. Investitionen müssten somit nicht gekürzt werden. Kein Arbeitsplatz wäre in Gefahr.
Es geht sogar noch besser: Gut gemacht, könnte die Erbschafssteuer Investitionsreize setzen und damit die Konjunktur fördern. Dafür müssten die Stundungsregelungen so ausgestaltet sein, dass Unternehmen, die besonders viel investieren, belohnt werden. Die Erbschaftsteuer müsste dann für wenig innovative Unternehmen schneller abbezahlt werden. Für schnell wachsende und viel investierende Unternehmen würde die Erbschaftsteuer im Gegenzug länger gestundet.
Von all dem will die Große Koalition in Berlin nichts wissen. Sie missachtet die extreme Vermögenskonzentration in Deutschland. Sie missachtet das Verfassungsgericht. Und sie missachtet vor allem das breite Gerechtigkeitsgefühl der gesamten Bevölkerung. Sie macht eine Steuerreform bei der das Grundprinzip der Steuergerechtigkeit weiter mit Füßen getreten wird: Die Besteuerung gemäß Leistungsfähigkeit gilt nur in der Theorie. In der Praxis werden die Superreichen dieser Republik weiter fast keine Steuer zahlen. Wer ein Unternehmen erbt, wird in der Regel von der Steuer verschont. Und wer wirklich reich ist, investiert seine Millionen lieber in ein Unternehmen als es für Minizinsen zur Sparkasse zu tragen.
Keine Statistik zur Ungleichheit ist so schockierend wie die Erbschaftsteuerstatistik. Fast die Hälfte der im Jahr 2014 übertragenen Vermögensmasse – 51 Milliarden Euro – entfiel auf gerade einmal 479 vom Schicksal begünstigte Menschen. Im Schnitt konnte sich jeder Einzelne von ihnen über mehr als hundert Millionen Euro Erbschaft freuen. Steuern haben diese extrem privilegierten Bürger praktisch keine gezahlt: Ihr Steuersatz betrug durchschnittlich gerade einmal lächerliche 1,3%. Ein Schlag ins Gesicht für jeden Menschen, der von seiner eigenen Arbeit leben muss und nicht die Millionen seiner Eltern an der Riviera verprassen darf. Als reich im Sinne der Lohnsteuer gilt schon, wer knapp 4.500 Euro im Monat verdient. Der Spitzensteuersatz beträgt dann 42% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Ungerechtigkeit erkannt und daher vor zwei Jahren die Ausnahmen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt.
Aber wenn es um so viele Milliarden geht, lohnt es sich den Lobbydruck in Berlin zu erhöhen. Und so haben die Großerben als Totschlagargument das alte Märchen ausgepackt: Der deutsche Mittelstand würde untergehen. Millionen von Arbeitsplätzen wären gefährdet. Sie wissen, dass sich kein deutscher Politiker vorwerfen lassen möchte, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ruiniert zu haben.
Statt verängstigt den Drohungen der Milliardäre zu folgen, sollten die Berliner Politiker die Stundungsregel selbst einmal durchrechen. Nehmen wir die BMW-Erben als Beispiel: Müsste etwa die Familie Quandt ihre Anteile an BMW verkaufen oder müsste BMW seine Investitionen zurückfahren, wenn die Quandts plötzlich 30 Prozent Erbschaftssteuer auf ihre Anteile zahlen müssten? Selbst im extrem unwahrscheinlichen Fall, dass die Familie sonst keinerlei Vermögen besitzt, mit dem sie die Steuer zahlen könnte, würde die Dividende problemlos dafür reichen. Legt man den Marktwert und die durchschnittliche Dividende der letzten Jahre bei BMW zugrunde, dann zeigt sich: In nur gut 11 Jahren könnten die Aktienerben die Steuerschuld tilgen – nur aus den Dividendenzahlungen, und ohne dass BMW etwas an seinen Investitionsplänen ändern müsste.
Das gleiche gilt analog für Unternehmen, die nicht an der Börse sind. Laut Bundesbankstatistik haben die deutschen Unternehmen in den letzten drei Jahren durchschnittlich 84 Prozent ihrer Gewinne an ihre Eigentümer ausgeschüttet. Die Erben können also problemlos ihre Steuer aus den Gewinnen bezahlen, ohne dass die Unternehmen ihre Investitionen einschränken müssten.
Es gibt also keinen Grund, Unternehmenserben von der Erbschaftsteuer zu befreien. Wir brauchen nur eine verbindliche Stundungsregelung. Idealerweise eine intelligente Stundung, die auch noch Investitionen fördert.
Und wenn man Millionenerben ohne Ausnahmen mit 30% besteuern würde, ließe sich das Steueraufkommen auf über 20 Milliarden Euro erhöhen. Damit könnte man fast eine halbe Million zusätzliche Lehrer einstellen. Oder die Altersarmut ein für alle Mal beenden. Kurzum, statt der steigenden Ungleichheit weiter tatenlos zuzusehen, könnte man unsere Gesellschaft ein ganzes Stück gerechter machen. Worauf warten wir also? Es ist Zeit für eine gerechte Erbschaftsteuer.
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