Am 29. September 2008 begann das Drama der Hypo Real Estate (HRE), dessen Dimension ich für den Blog der Bürgerbewegung Finanzwende vor einer Woche aufgearbeitet habe. Im Gegensatz zu Lehman hat die deutsche Presse laut google news keinen einzigen Artikel zu diesem Jahrestag veröffentlicht. Es ist schon seltsam, dass wir in Deutschland die Fehler immer nur bei anderen suchen. So wird die Finanzkrise als ein Problem der USA dargestellt. Nur weil angeblich der ungezügelte Finanzkapitalismus in den USA von der dortigen angeblich laschen Finanzaufsicht nicht richtig kontrolliert wurde, konnte es zu einer derartigen Krise kommen. Unsere deutschen Banken waren in unserer Selbstwahrnehmung ja angeblich alle kerngesund und unsere Bankenaufsicht hat sie natürlich ganz hart überwacht. Und so assoziieren wir die Finanzkrise mit Lehman, anstatt an die deutschen Landesbanken, an die IKB, an die Commerzbank und vor allem an das unfassbare Drama der Hypo Real Estate zu denken.

Wer mir nicht glaubt, wie unfassbar die blinde Arroganz der Verantwortlichen in Deutschland war, ist herzlich eingeladen noch einmal meine Analyse zum Untersuchungsausschuss HRE zu lesen. Ich habe das heute noch einmal selber getan und war wieder fassungslos und voller Wut angesichts dieser selbstverliebten Überheblichkeit deutscher Politiker und Bankenaufseher.

Für mich war der Umgang der damaligen großen Koalition mit Peer Steinbrück als Finanzminister und Jörg Asmussen als dessen Staatssekretär der wesentliche Auslöser für mein eigenes politisches Engagement. Ich war damals noch im Top Management einer der größten Private Equity Unternehmen in Europa. Angesichts der damaligen Panik kann ich zwar verstehen, dass die Regierung die HRE nicht Pleite gehen lassen wollte, obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass diese lächerlich kleine Bank nicht systemrelevant war. Es mag ja sein, dass sie eine wichtige Rolle im Pfandbriefmarkt gespielt hat. Dieser ist aber kein international relevanter Markt und selbst wenn er für die Refinanzierung deutscher Sparkassen eine wichtige Rolle spielt, so hätte man dies Problem doch anders lösen können als durch die Rettung einer Bank, die für die Realwirtschaft, sprich für die Finanzierung von Unternehmen und Haushalten absolut keine Rolle spielte.

Mein Kritikpunkt ist also nicht so sehr, dass die Regierung die Bank gerettet hat, sondern wie sie es getan hat. Man kann nämlich eine Bank retten, ohne gleich alle deren Gläubiger zu retten. Und völlig unverständlich ist es, dass die Bundesregierung zusätzlich auch noch die Aktionäre der Bank abgefunden hat. Und das waren keine Kleinaktionäre, das waren Hedgefonds. Warum die Aktionäre eines Pleite-Unternehmens Anspruch auf Abfindung haben, kann mir niemand erklären. Die HRE war schließlich nur noch künstlich durch Liquiditätsspritzen der Bundesregierung am Leben. Ohne diese hätte der Vorstand längst Konkurs anmelden müssen und angesichts der Überschuldung der HRE hätten die Hedgefonds keinen einzigen Cent ihrer Investition zurückbekommen. Das war den Hedgefondsmanagern in London natürlich voll bewusst und trotzdem gelang es ihnen, eine auf dieses Szenario völlig unvorbereitete Bundesregierung mit legalistischen Argumenten zu erpressen. Andere Länder hatten längst die Warnungen des Internationalen Währungsfonds ernst genommen und die notwendigen Gesetze erlassen, um mit solchen skrupellosen Erpressern wie den damaligen Eigentümern der HRE umzugehen. Aber da es ja in Deutschland denklogisch ausgeschlossen war, dass unsere Banken marode und schlecht beaufsichtigt sein könnten, musste man sich ja auch nicht vorbereiten.

Gerhard Schick hat 2009 den Untersuchungsausschuss HRE ins Leben gerufen und hat für das Handelsblatt einen kurzen Artikel und für die Bürgerbewegung Finanzwende eine ausführlichen Blogbeitrag geschrieben, und die aus seiner Sicht wichtigsten Erkenntnisse aus dem Drama der HRE geschildert und warum damals sehr wohl die Regierung und die BaFin versagt haben.

Aus meiner Sicht ist jedenfalls die Pleite der HRE, für die wir Bürgerinnen und Bürger in Deutschland 175 Milliarden Euro mobilisieren mussten, um sie zu stabilisieren und bei deren Rettungsaktion wir bis heute 21 Milliarden Euro unwiderruflich verloren haben, genauso wichtig wie Lehman. Es ist sehr schade, dass die deutsche Presse sich für diesen Jahrestag nicht zu interessieren scheint.


 

 

 

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