Mal wieder versucht uns die GroKo für dumm zu verkaufen. Das Erbschaftsteuer-Reformgesetz ist ein voller Sieg der Lobby. Großerben, selbst wenn sie ein Milliardenvermögen erben, können weiter ihre Unternehmen steuerfrei an die nächste Generation übertragen.

Im Folgenden die Detailanalyse des Gesetzes verfasst von dem Steuerexperten der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen:

Gesamtbewertung

Das Gesetz ändert an dem Zustand, den das Bundesverfassungsgericht bemän­gelt hatte, fast überhaupt nichts. Auch weiterhin wird es möglich sein, große Betriebsvermögen steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen. Eine volle Besteuerung würde bei „Familienunternehmen“ erst ab einem Vermögen des einzelnen Unternehmensanteils von aktuell über 200 Millionen Euro einsetzen.[1] Aber auch in diesen – ohnehin sehr wenigen – Fällen kann die Besteuerung dadurch vermieden werden, dass die Bedürfnisprüfung gewählt wird und diese gestaltbar ist (siehe unten).

Während der erste Gesetzentwurf von Finanzminister Schäuble noch einige Hürden vorsah, um in den Genuss der Verschonung zu kommen, wurden diese jetzt nahezu vollständig durch die CSU und die betroffenen Verbände beseitigt.  Durch das Gesetz ist daher nicht mit höheren Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zu rechnen. Aus diesem Grund macht die Koalition zu den Finanzwirkungen auch keine Angaben.

Der Umstand, dass Erbschaftsteuer im Privatbereich schon bei einem Vermögen von über 20.000 Euro beginnen kann, während Betriebsvermögen in Millionen­höhe und ohne Einzelfallprüfung steuerfrei übertragen wird, bleibt unverändert bestehen. Daher ist auch davon auszugehen, dass das Gesetz die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einer gleichmäßigen Besteuerung nicht erfüllt und erneut verfassungswidrig ist. Die Chance, zu einer einheitlichen und damit gerechten Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen zu kommen, wurde erneut vertan. Stattdessen wurde das ohnehin komplizierte und damit auch gestaltungsanfällige Gebiet noch komplizierter gestaltet. Gerade durch die Übernahme einiger Forderungen der CSU würde das Gesetz einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Deswegen hat sich die Koalition entschieden, diese nicht vorzunehmen und das Gesetz im Eilverfahren durch den Bundestag zu bringen. Die CSU sagt schon jetzt, dass das neue Recht für sie ohnehin nur eine Lösung für ein Jahr ist. Die Forderung nach einer Regionalisierung der Erbschaftsteuer wird weiter vertreten. Durch 16 Erbschaftsteuergesetze der Länder würde die Erbschaftsteuer undurchführbar und de facto abgeschafft. Dieses Ziel wird auch offensiv verfolgt.

Die Tendenz des Gesetzentwurfs ist eindeutig: Die Verschonungsregelungen werden nur vermeintlich verschärft. Zum Ausgleich wird zukünftig die Bemes­sungsgrundlage – der Unternehmenswert – klein gerechnet und zinsfreie Stun­dungsregelungen eingeführt, die ebenfalls eine verschonende Wirkung haben. Hierdurch kann bereits eine Verschonung von über 60 Prozent der Bemessungs­grundlage (Unternehmenswert) erfolgen. Das ist die Fortführung der alten Rege­lungen durch die Hintertür. Das wird auch dem Bundesverfassungsgericht nicht verborgen bleiben.

Bewertung der Details des Gesetzes

Einschränkung der Begünstigung für kleine Betriebe

Früher wurde erst ab 20 Beschäftigten das Einhalten der Lohnsumme als Voraus­setzung für die Befreiung von der Steuer geprüft. Nun sollte bis zu 3 Beschäftig­ten keine Prüfung der Lohnsumme erfolgen. Die CSU hatte in letzter Minute durchgesetzt, dass dieser Wert noch einmal auf 5 Beschäftigten angehoben wird. Betriebe ab 6 Mitarbeitern müssen dann zwar eine Lohnsumme nachweisen, bis zu 15 Mitarbeitern sind die Regelungen dafür aber weniger streng als für größere Unternehmen.

Durch die Anhebung des Wertes, bis zu dem überhaupt keine Prüfung erfolgt, auf 5 Mitarbeiter wird das Gesetz verfassungsrechtlich wieder problematisch. Das Bundesverfassungsgericht hatte darauf hingewiesen, dass die Begünstigungen nicht bei der Mehrzahl der Betriebserben voraussetzungslos und ohne Prüfung  gewährt werden dürften. Etwa 90% der Unternehmen in Deutschland haben aber weniger als 10 Mitarbeiter.

Abgrenzung begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen

Der Begriff des Verwaltungsvermögens wird nun doch beibehalten. Damit bleibt es im Grundsatz bei der heutigen Abgrenzung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen. Schäuble hat sich gegen die Länder nicht durchsetzen können.

Die Länder hatten vor Abgrenzungsproblemen bei der Auflösung des Begriffs des Verwaltungsvermögens gewarnt. Wir hätten es hier aber begrüßt, wenn Schäuble sich durchgesetzt hätte, weil wir die derzeitigen Abgrenzungen für zu gestal­tungsanfällig halten. Zu begrüßen ist aber, dass scheinbar nach wie vor der Anteil des unschädlichen Verwaltungsvermögens von 50% heute auf dann 10% gesenkt werden soll. Problematisch ist, dass vergleichsweise hohe Summen von z.B. Finanzmitteln noch als Betriebsvermögen akzeptiert werden.

Verschonung von großen Betriebsvermögen

Die Verschonung von großen Erwerben von über 26 Millionen Euro wird wesent­lich komplizierter geregelt als heute. Für sie gilt die Verschonung nicht mehr in voller Größenordnung. Wird diese Grenze jedoch überschritten, hat der Be­schenkte ein Wahlrecht. Er kann entweder eine Bedürfnisprüfung wählen, bei der er mit bis zu 50% seines übrigen Vermögens für die Schenkungsteuer auf das Betriebsvermögen einsteht und der darüber liegende Betrag erlassen wird, oder die Begünstigung wird, je nachdem wie stark die Grenze von 26 (ursprünglich 20 Millionen. Wurde nochmal erhöht) Millionen überschritten wird, gekürzt.[2] Entscheidet er sich für die erste Option wird dafür sämtliches Vermögen berück­sichtigt, das nicht selbst  begünstigtes Vermögen ist, und das er entweder schon besitzt, im gleichen Schenkungsvorgang oder in den kommenden 10 Jahren erwirbt. Überschreitet die Steuer 50% dieses Vermögens, wird der übersteigende Teil erlassen. Liegt kein weiteres Vermögen vor, so fällt keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer an, obwohl der Erbe in Zukunft mit Gewinnen aus dem Unternehmen rechnen kann.

Entscheidet er sich für die zweite Option wird der Verschonungsabschlag um jeweils 1%-Punkt verringert für jeden Betrag von 750.000 Euro, den das Betriebsvermögen die Grenze überschreitet. (Beispiel: Wenn das Betriebs­vermögen einen Wert von 56 Millionen hat, liegen 30 Millionen davon oberhalb der 26 Millionen Grenze. Teilt man diese 30 Millionen durch 750.000 ergibt sich eine Kürzung der Verschonung um 40%-Punkte. Bei einer Vollverschonung von 100% werden jetzt also nur noch 60% des Vermögens verschont. In dem Beispiel würden also 40% bzw. 20 Millionen der Schenkungsteuer unterliegen). So läuft die Verschonung dann für sehr hohe Unternehmensanteile (etwa ab 100 Millionen) aus.

Die nun gefundene Regelung wird die steuerfreie Weitergabe auch von größeren Unternehmen kaum beschränken. Zum einen haben weniger als 2% der Unternehmensweitergaben einen Wert von über 26 Millionen Euro. Zum Anderen ist Steueroptimierung durch das Wahlrecht leicht möglich, weil unseres Erachtens nach die Bedürfnisprüfung in der jetzigen Form gestaltungsanfällig ist.

Gestaltungen, die man natürlich ohnehin nicht umgehen kann, ist die Über­tra­gung des übrigen Vermögens auf einen anderen Erwerber (also ein Kind erhält nur das Betriebsvermögen und ein anderes Kind das gesamte übrige Vermögen). Aber auch bei nur einem Erwerber dürften sich durch die 10-Jahres-Frist einfache Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. So kann zunächst der Betrieb übergeben werden und dann nach Ablauf der 10 Jahre das gesamte übrige Vermögen. Auch in diesem Fall würde die Verschonung voll erhalten bleiben. Daher ist es auch realistisch, dass das Aufkommen der Erbschaftsteuer sich nicht wesentlich verän­dern wird. Ob dem Anliegen des Bundesverfassungsgericht – mit einer weiter bestehen bleibenden umfassenden Verschonung von hohen Betriebsvermögen –  Rechnung getragen wird, erscheint zweifelhaft. Die SPD hatte sich dafür gefeiert, dass die Verschonung für ganz große Unternehmensanteile nun auf Null sinkt. Die Union hat aber im Gegenzug einen Wertabschlag von 30% für Anteile an Familienunternehmen, die Verfügungsbeschränkungen unterliegen, verankert. Die Bedingungen für diesen Abschlag sind nun relativ leicht gestaltbar, so dass sich de facto die Steuerbelastung nicht erhöht.

Investitionsklausel

Zusätzlich wurde außerdem eine Investitionsklausel aufgenommen. Bei Betriebs­erben soll demnach Verwaltungsvermögen unschädlich sein, welches schon der Erblasser (nicht auf Schenkungen anwendbar) für Investitionszwecke in den Betrieb eingelegt hat, wenn die Investition innerhalb eines Jahres durchgeführt wird. Wobei hier der Investitionsbegriff weit ausgelegt werden soll. Auch laufen­de Zahlungen fallen darunter. Diese Regelung wird dazu führen, dass auch Geldvermögen weiterhin umfangreich als Betriebsvermögen begünstigt wird. Auch das hatte das Bundesverfassungsgericht stark kritisiert.

Kapitalisierungsfaktor im Ertragswertverfahren

Die Koalition will den Zinssatz im vereinfachten Ertragswertverfahren nach unten begrenzen, um höhere Multiplikatoren in der Unternehmensbewertung durch die Niedrigzinsphase auszuschließen. Der maßgebliche Zinssatz soll mindestens 3,5% beantragen.

Unternehmen werden hierdurch aktuell um etwa 30% geringer bewertet. Dies kann auch dazu führen, dass die Erben/Beschenkten weniger Steuern als bisher zahlen. Besonders problematisch ist diese Änderung verfassungsrechtlich, denn das Gericht hatte die geltenden Bewertungsregeln gar nicht bemängelt. Zudem hatte es bereits 2006 entschieden, dass Begünstigungen transparent und nor­menklar sein müssen und deswegen nicht durch die Unternehmensbewertung, sondern durch getrennte Begünstigungsregelungen erfolgen müssen. Dieses Prinzip wird nun wieder durchbrochen.

Stundungsrecht

Es wird ein Recht auch 10jährige zinslose Stundung eingeführt. Auch dies führt noch einmal zu einer deutlichen Steuervergünstigung. Unter normalen Umstän­den werden Steuerschulden mit 6% verzinst. Bisher war eine zinslose Stundung daran geknüpft, dass nachgewiesen wurde, dass sie für den Erhalt des Betriebs notwendig ist. In letzter Minute hat die Union durchgesetzt, dass sie nun ohne Prüfung gewährt werden soll. Auch dies führt zu neuen verfassungsrechtlichen Zweifeln, da eine Vergünstigung hier auch für die sehr hohen Unternehmensver­mögen ohne Prüfung der Notwendigkeit für den Erhalt von Arbeitsplätzen erfolgt.

Inkrafttreten erst ab Tag der Verkündung des neuen Gesetzes

Das Bundesverfassungsgericht hatte bestimmt, dass ein neues Gesetz rücklie­gend auf den Tag des Urteils beschlossen werden kann, um für die Zwischenzeit steuerfreie Übertragungen zu verhindern. Schäuble hat davon nicht Gebrauch gemacht. Dadurch werden auch noch die Steuereinnahmen verschenkt, die in der Zwischenzeit anfallen könnten. So kann sich nun jeder Betroffene überlegen, wie er mit dem neuen Gesetz zurechtkommen würde und falls es zu einer Schlechter­stellung gegenüber  heute kommt, die Übertragung des Betriebsvermögens noch vorziehen. Auch dies wird dazu beitragen, dass zumindest in den ersten Jahren der Neuregelung nicht mit relevanten Mehreinnahmen zu rechnen ist. Durch die immer weitere Verwässerung des Entwurfs von Schäuble ist inzwischen aber nicht mehr damit zu rechnen, dass es in einer bedeutenden Anzahl von Fällen zu einer Steuererhöhung kommt.

 

[1] Das liegt daran, dass Betriebsvermögen durch die Änderung des Bewertungsgesetzes um etwa 30% geringer bewertet wird und für Familienunternehmen noch ein weiterer Wertabschlag von bis zu 30% gewährt werden kann. Erst auf den so zweifach geminderten Wert wird dann das Abschmelzmodell angewendet.

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