Schlüsselerlebnis Finanzkrise
2009 hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Die globale Finanzkrise. Und im Besonderen: Wie die Bundesregierung damit umging. Statt diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die die Krise verursacht hatten, rettete der Staat nicht nur die Banken, sondern auch ihre Gläubiger und Aktionäre. Dass bei Pleiteunternehmen die Aktionäre eine Abfindung kassieren, widerspricht jeder volkswirtschaftlichen Vernunft. Kein Wunder, dass in den Hedgefonds die Champagnerkorken knallten.
Bessere Wege aus der Krise
Zu dieser Zeit war ich als Geschäftsführer des schwedischen Investors EQT mittendrin. Auch manche unserer Unternehmen gerieten in eine existenzbedrohende Krise und waren plötzlich hoffnungslos überschuldet. Deshalb schossen wir von EQT Kapital nach und verhandelten für unsere Unternehmen mit den Banken: So konnten wir durchsetzen, dass sie Schulden stundeten oder erließen. Gemäß den Regeln der Marktwirtschaft haben auch wir von EQT dabei Geld verloren. Das ist selbstverständlich. So wurden die Unternehmen wieder gesund und die Arbeitsplätze blieben erhalten – mit Hilfe des Geldes der Eigentümer, unserer Firma also, die wirtschaftlich verantwortlich war.
Ganz anders bei den Banken – wo der Bund die Gläubiger und Aktionäre der Banken ausbezahlt hat. Deshalb wurde Rettungsaktion so unglaublich teuer. 392 Milliarden Euro Steuergelder mussten für Kapitalerhöhungen, Aufkauf von Giftpapieren und Bürgschaften zur Verfügung gestellt werden. Nur in Irland und Griechenland war die Bankenrettung noch teurer. Mein Entsetzen darüber war groß, wie sich die Bundesregierung von den Banken über den Tisch ziehen ließ. Und mir wurde klar: Ich will politisch etwas verändern. So konnte es nicht weitergehen!
Quereinstieg in die Politik und jetzt Staatssekretär in Berlin
Ich habe daraufhin die Anteile an meiner Firma verkauft, habe noch einmal für ein Jahr studiert und an der Harvard Kennedy School einen MPA (Master in öffentlicher Verwaltung) gemacht. Mit Schwerpunkt auf internationale Volkswirtschaft, Eurokrise, Finanzmarktregulierung und Gesundheitspolitik. Das war für mich das Fundament, um mich anschließend gesellschaftlich und politisch stärker einzubringen.
Mein zivilgesellschaftliches Engagement stand voll unter dem Motto Finanzwende: Als ehrenamtlicher Vorstand des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff), einem gemeinnützigen Verein, der sich für mehr Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz in der Finanzbranche einsetzt oder als Mitglied bei Finance Watch, einem europäischen Gegengewicht zur Finanzmarktlobby, und ganz besonders natürlich zusammen mit Sven Giegold (MdEP) und Gerhard Schick (ex-MdB, heute Vorstand Bürgerbewegung Finanzwende). Zum Beispiel haben wir zu dritt das Buch Finanzwende geschrieben. Mit Gerhard Schick habe ich gemeinsam die Bürgerbewegung Finanzwende gegründet und ich wurde ihr erster Aufsichtsratssprecher.
Beruflich war ich nach Harvard in Teilzeit als Aufsichtsrat tätig. Mein wichtigstes Mandat war Triodos, Europas führende Nachhaltigkeitsbank (mit dem treffenden Motto: Finance change. Change finance).
Politisch sind die Grünen meine politische Heimat. Innerhalb der Partei habe ich mich in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen engagiert und war dort vier Jahre im Sprecher*innen-Team. Über die BAG WiFi konnte ich in verschiedenen spannenden parteiinternen Gremien mitarbeiten, z.B. in der Rentenkommission oder in der Impulsgruppe des Bundesvorstandes für das Kapitel Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik des neuen Grundsatzprogramms der Partei. Dort durfte ich das erste Mal eng mit Monika Heinold zusammenarbeiten, was uns beiden so großen Spaß gemacht hat, dass Monika mir völlig überraschend Anfang Januar 2019 angeboten hat, bei ihr im Finanzministerium Schleswig-Holstein Staatssekretär zu werden.. Am 15. Dezember 2021 wurde ich dann unter Bundesminister Robert Habeck zum Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ernannt.
Staatssekretär ist ein respekteinflößendes Amt. Ich bin Monika Heinold außerordentlich dankbar für das große Vertrauen, mir diese Aufgabe anzuvertrauen und auch Robert Habeck dafür, mich nach Berlin ins Amt für Wirtschaft und Klimaschutz mitzunehmen. Gleichzeitig war ich aber auch ein wenig traurig. Denn dies bedeutete alle meine anderen Aufgaben, Ämter und ehrenamtliche Tätigkeiten niederzulegen. Es hieß nicht mehr, “die reine Lehre” zu formulieren, sondern realpolitisch Kompromisse zu verhandeln. Dies ist auch der Grund, warum es um meine Blogbeiträge hier sehr still geworden ist, da ich leider nicht mehr den Kopf frei habe, um hier zu schreiben, ohne in Interessenkonflikt mit meinem neuen Amt zu kommen.
Ein fairer Deal als politische Vision
In all den Jahren ist mir eine Sache sehr deutlich geworden: In unserer Gesellschaft fehlt die Balance zwischen Privatinteressen und Gemeinwohl. Das politische Ziel, das mich heute antreibt ist ein fairer Deal für unsere Gesellschaft. Ich bin der Meinung: Wirtschaft verpflichtet.
Franz Müntefering hat Private Equity Investoren als Heuschrecken bezeichnet, weil sie in Wildwest-Manier über Unternehmen herfallen und sie ausbluten. Bei EQT habe ich gesehen, dass man in dieser Branche auch Geld verdienen kann, ohne die Moral über Bord zu werfen. Als Gründer von EQT in Deutschland habe ich große mittelständische Firmen gekauft, sie als Eigentümer geführt und langfristig aufgebaut. Dank unserer Investitionen sind mehrere Tausend Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Das ist etwas, worauf ich auch heute noch durchaus stolz bin.
In der Zeit bei EQT habe ich aber auch viele Dinge gesehen, die mich bis heute aufregen. Unternehmen, die ohne Hemmungen staatliches Versagen ausnutzen, um ihren Gewinn zu maximieren. Marktmacht und Monopolrenditen, die nur entstehen, weil findige Anwälte das Kartellamt übertölpeln. Clevere Berater, die immer ein Schlupfloch finden, um keine Steuern zu zahlen oder Regulierungen zu umgehen. Und so viele Unternehmen, die obszöne Gewinne machen, weil sie ihre Produkte zu übertriebenen Preisen an einen ahnungslosen Staat verkaufen können.
Märchen der Lobbyisten entlarven
Als jemand, der viele Unternehmen in vielen Branchen geführt hat, traue ich mir eins zu: Die Märchen der Lobbyisten zu entlarven und mit den Unternehmensvorständen auf Augenhöhe zu verhandeln. Wie oft wird behauptet, gute politische Ideen seien praxisfremd und würden den Mittelstand ruinieren. Unsinn. Mir kann man so nicht kommen. Ich weiß, wie man erfolgreiche Unternehmen führt und was sie ruinieren könnte. Meist sind es nicht die guten Ideen, die Arbeitsplätze gefährden, sondern die Märchen der Lobbyisten.
Ich möchte daher meine Erfahrung nutzen, um bessere Rahmenbedingungen für eine dynamische Wirtschaft zu setzen. Junge innovative Unternehmen müssen verschlafenen Monopolisten Beine machen. Märkte funktionieren nur mit echtem Wettbewerb und mit harten staatlichen Leitplanken. Nur dann wird es verbraucherfreundliche, verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmen geben. Dafür will ich streiten.